1946 – Not macht erfinderisch

Der Verein nahm einen raschen Aufschwung und immer mehr Mitglieder kamen hinzu. Mit der Aufnahme des Spielbetriebes ergaben sich auch die ersten Schwierigkeiten. Es mangelte an allen Ecken und Enden. Spieler waren wohl vorhanden, aber woher die Sportausrüstung nehmen? Zum Fußballspielen gehören nun eben mal neben dem Ball auch Spielerbekleidung und Fußballschuhe. Weder das eine noch das andere konnte man damals käuflich erwerben. Auch hier fanden sich Spezialisten, die „hintenherum“ derartige Dinge organisierten. Aber wieder stand man vor einem Problem; denn die Sachen mussten schließlich bezahlt werden und auf Bargeld – sprich Reichsmark – war niemand scharf. Naturalien waren das zugkräftigste Zahlungsmittel. Also musste jedes Mitglied etwas von diesem kostenbaren Gut an den Verein abzweigen, Spendenlisten wurden erstellt. Neben Butter, Speck und Eiern waren Zigaretten – vornehmlich Amis (Abkürzung für Amerikanische Zigaretten) – ein begehrtes Tauschobjekt. Da die eingetauschten Sachen meist nicht neu waren, es sei nur an die Fußballschuhe erinnert, kam man einfach nicht zur Ruhe. So musste immer und immer wieder zu Spenden aufgerufen werden.

Heinrich Walkowiak führte über Spenden und Leistungen des Einzelnen gewissenhaft Buch, damit sich die Nachfolgenden ein Bild über die Schwierigkeiten des Anfangs machen konnten.

Die Nachkriegsgenerationen werden sicherlich über das Gewesene lächeln, aber das waren seinerzeit echte Probleme. Trotzdem wurde man, unter den denkbar schlechtesten Umstände, damit fertig.

Wie schon geschildert, war allein die Beschaffung von Fußballschuhen ein Problem für sich. Man nahm was man bekommen konnte und versuchte es schließlich mit Turnschuhen. Um denselben mehr Festigkeit zu verleihen, wurden sie mit Lederpolstern bestückt. Die Fachkräfte Karl Iffert und Helmut Eckel hatten nach jedem Spiel alle Hände voll zu tun, um das Schuhwerk bis zum nächsten Einsatz wieder herzurichten.

Trotz großer Anstrengungen war es 1946 leider nicht möglich, Schüler- und Jugendmannschaften starten zu lassen. Ein Antrag an das Wirtschaftsamt Kassel, Abteilung Schuhe, lautete: …können nicht starten lassen, weil wir keine Fußballschuhe haben. Wir bitten, uns bei der Verteilung zu berücksichtigen.

Auch diese Zeit ging letztlich vorbei. Auf Regen folgt Sonnenschein. Die I. Fußballmannschaft verzeichnet auf Anhieb Erfolge und trug ihrerseits mit dazu bei, dass die Begeisterung wuchs. Von 46 Spielen im Jahre 1946 wurden 28 gewonnen, 9 verloren und 9 Begegnungen gingen unentschieden aus. Unter anderem waren an diesem Erfolg die Spieler Hoffmann, Voigt, Stahl, Krenz, Gunkel, Cimcioch, Schneider, Prokop, Platzek, Höfert und Palz beteiligt.

Das Spieljahr 1945/46, an dem die Mannschaft zum ersten Mal teilnahm, wurde mit 21:3 Punkten beendet. Dieses Ergebnis reichte zur Meisterschaft und zum Aufstieg in die Bezirksklasse aus.

Es kamen immer mehr Spieler hinzu und so kam man nicht umhin, auch eine II. Fußballmannschaft zu gründen. Auch eine Jugendabteilung wurde gegründet. Sie bestand aus einer A- und B-Jugendmannschaft sowie einer Schülermannschaft. Für den Nachwuchs wurde also gesorgt.

Ebenfalls wurde auch eine Damenhandballmannschaft ins Leben gerufen. Fußballtorwart Hoffmann nahm sich der jungen Damen an und formte bald ein eingespieltes Team. Leider hielt die Begeisterung nicht lange an, denn nach zwei, drei Jahren gab man das Handballspiel wieder auf.

Einmalig war die Tanzgruppe. Jeden Mittwochabend wurde in den Räumen der Vereinsgaststätte das Tanzbein geschwungen. Hier hatten die jungen Mädchen die Möglichkeit, das Tanzen zu erlernen. Unter den Klängen einer Ziehharmonika und eines Schlagzeugs (bestehend aus zwei Kochlöffeln und dergleichen) wurden hier Tänze, wie beispielsweise Rheinländer, Walzer, Foxtrott und Tango einstudiert.

Unter der Leitung unserer ehemaligen Vereinsmitglieder Graft und Dembeck entstand eine Turnerriege. Lehrer Gerland widmete sich ganz besonders dieser Abteilung und begeisterte viele Schulkinder für den Turnsport. Es wurden die erforderlichen Turngeräte angeschafft und auf Anhieb gute Leistungen erzielt.

Die Kultur und Theaterabteilung entstand und wurde zu einer beliebten Einrichtung zum Wohle der ganzen Gemeinde. Die durchgeführten Theaterabende mussten wegen Überfüllung des Saales häufig mehrfach wiederholt werden. Aber nicht nur in Rothwesten, sondern auch in der näheren Umgebung wurden Vorstellungen durchgeführt. Die Einnahmen ermöglichten es dem Verein, Sportgeräte und andere, für den Sportbetrieb notwendige Dinge, anzuschaffen.